Donnerstag, 31. Juli 2014

R.I.P. Harun Farocki!



Vor ein paar Jahren stand ich, an einem heißen Augustvormittag, in der Filmabteilung der Amerikanischen Gedenkbibliothek. In der Sektion Experimentalfilm dt. drängten sich dicht an dicht weiße Rücken mit seltsamen Titeln. Bewerbungsgespräche… die BRD... Überwachung… Der Raum zwischen Spielen und Krieg... HARUN FAROCKI las ich auf den breiten Rücken. Der Name brachte etwas zum Klingen. Ich hätte sie gerne ausgeliehen, doch hatte die Zeit sie überlebt. Es waren Videos, bauchige VHS-Quastenflosser, unlesbar geworden in meiner digitalen Welt. 



Gerade wandte ich mich in romantischer Wehmut zum Gehen, der Blick schon auf dem Weg zu den Romanen, in die Analogzukunft der Literatur, da schob sich ein sehniger, braungebrannter Mann mit lockigem Schopf, langen weißen Zähnen und schlaksig präzisen Bewegungen behände an mir vorbei und vor das Regal. Er nahm die Videos heraus. Er stellte an die leere Stelle DVDs.
"Arbeiten Sie hier?" fragte ich, von der dümmlichen Allmachtsfantasie beseelt, jemand hätte meine Wunsch nach Digitalisierung sofort erfüllt, an diesem durchgeschwitzt schönen Augustvormittag.
"Naja, das sind meine Arbeiten," sagte Farocki leicht verlegen.
"Sie sind der Künstler?" Meine Brauen hohe Arkaden.
"Naja Künstler, aber ja!"lachte er. 
Dann lachten wir. 

Er trug ein violettes Achselshirt, ich ein violettes Kleid. Ich nahm es als Zeichen und dankbar alle DVDs. Jedes Mal, wenn ich seither in der AGB vor dem Regal Experimentalfilm dt. stehe, denk' ich an Harun Farocki. Die Chancen, ihn jemals wieder dort zu treffen, stehen seit heute bei null.